Dieter Axmann
Fachanwalt & Strafverteidiger
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NOTFALLNUMMER 0151 / 21822975
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, Sicherungsverwahrung bzw. deren Vorbehalt: Wenn die Strafkammer eines Landgerichts diese Maßregelvollzugsmaßnahmen in einem Strafurteil ausschließt, muss dies nachvollziehbar begründet werden.
Ein Mann, der mit dem Ziel der Schwarzarbeit illegal nach Deutschland eingereist war, verlor hier den Halt. Er geriet in Obdachlosigkeit, begann sehr viel zu trinken und beging eine Reihe von Straftaten. Zunächst kam es zur versuchten Vergewaltigung einer 78-jährigen, der er anschließend 240 Euro raubte. Kurz darauf zerrte er eine 24-jährige Joggerin gewaltsam ins Gebüsch und führte einen Finger in ihre Vagina ein. Schließlich raubte er einer 42-jährigen, unter Anwendung körperlicher Gewalt 20 Euro, dabei würgte er die Frau.
Das Landgericht Hamburg verurteilte den Mann wegen Vergewaltigung (§ 177 StGB), sexuellem Übergriff mit Gewalt in Tateinheit mit Raub (§ 249 StGB) sowie wegen räuberischer Erpressung (§ 255 StGB) in Tateinheit mit Körperverletzung (§ 223 StGB) zu insgesamt sechs Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Das Gericht sah bei zwei der Taten eine durch Alkoholkonsum erheblich verminderte Schuldfähigkeit. Von den im Gesetz vorgesehen Maßregeln ordnete es keine an, weder die Unterbringung in einer Psychiatrie gemäß § 63 StGB noch die Unterbringung zu einer Entzugstherapie nach § 64 StGB, und auch keine direkt angeordnete Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) oder den Vorbehalt, bei Haftende eine Sicherungsverwahrung auszusprechen (§ 66a StGB).
Die Staatsanwaltschaft stellte Revisionsantrag. Dieser hatte Erfolg: Der fünfte Strafsenat des BGH hob den Ausschluss von Maßnahmen des Maßregelvollzugs und damit einen zentralen Teil des Urteils auf.
Durch die drei Straftaten hatte der Angeklagte die formellen Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung erfüllt. Das Landgericht hatte jedoch eine weitere von § 66 Abs. 1 Nr. 4 geforderte Voraussetzung verneint: das Vorliegen eines „Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden“. Dabei stützte es sich auf das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen, der den nach Aktenlage beurteilt und dabei keine psychischen Auffälligkeiten gefunden hatte. Das Landgericht verwies außerdem darauf, dass der Angeklagte vor der Einreise keine kriminellen Neigungen gezeigt, sondern das Abitur abgelegt und studiert hatte. Da der Mann seine Taten veranlasst durch eine „Mischung aus Geldmangel, Stress, Frust und Wut“ und „missbräuchlichen Alkoholkonsum“ begangen habe, seien keine weiteren Straftaten zu erwarten.
Das genügte dem BGH nicht. Er warf dem Landgericht vor, sich in der Urteilsbegründung nicht ausreichend mit den Tatumständen und dem Sachverständigengutachten auseinandergesetzt zu haben. So habe es einen Hang zu Straftaten bei dem Angeklagten ausgeschlossen, ohne auf die augenfälligen Übereinstimmungen bei den in rascher Folge begangenen Straftaten einzugehen. Außerdem verwies der BGH auf die sexualisierte Gewalt bei der Tatbegehung. Der Gutachter hatte dagegen festgehalten, im Sexualverhalten des Angeklagten sei es nie zu Aggressivität oder Gewalttätigkeiten gekommen. Mit diesem Widerspruch hatte sich das Landgericht nicht befasst.
Das Landgericht hatte auch keinen Hang zum Missbrauch von Alkohol gesehen, wie ihn § 64 StGB als Voraussetzung zur Unterbringung in einer Entziehungseinrichtung vorsieht. Zur Begründung verwies es darauf, dass der Angeklagte vor den Taten wenig getrunken habe und in der Haft ohne Probleme auf Alkohol verzichten konnte.
Auch diese Sichtweise konnte den BGH nicht überzeugen. Er wies darauf hin, dass ein Hang in diesem Sinne nicht unbedingt auf eine körperliche Abhängigkeit hinauslaufen muss. Dass der Mann in der Zeit vor den Straftaten aufgrund seines Alkoholkonsums seiner Arbeit nicht mehr nachgehen konnte, sei ein mögliches Indiz für einen Hang zum Alkoholmissbrauch. Dagegen habe der problemlose Alkoholverzicht in der Haft nur eingeschränkte Aussagekraft.
Auch der von § 64 geforderte symptomatische Zusammenhang zwischen Alkoholmissbrauch und den Straftaten sei belegt, da der Mann zwei der Taten im Zustand erheblicher Alkoholisierung begangen hatte. Als möglichen Einwand gegen die Unterbringung zur Entziehung ließ der BGH allerdings die fehlenden Sprachkenntnisse des Angeklagten gelten. Dieser Punkt müsse in der Neuverhandlung geklärt werden.
Dieter Axmann ist Fachanwalt für Strafrecht aus Dortmund. Er hat bereits Hunderte von Mandanten gegen den Vorwurf von Sexualdelikten verteidigt und verfügt über große Erfahrung im Sexualstrafrecht.