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Kinderpornografie

Besitzwille, Zeitpunkt des Besitzes und Verjährung

 

Härtere Strafen für Kinderpornografie seit Juli 2021: Wann wurde das Delikt begangen?

Seit einiger Zeit stehen auf Verbreitung, Besitz und Erwerb kinderpornografischer Inhalte höhere Strafen.

  • Der Strafrahmen für die Verbreitung (§ 184b Abs. 1 StGB n. F.) liegt nun zwischen einem und zehn Jahren Freiheitsstrafe. Zuvor waren drei Monate bis fünf Jahre möglich. Der Straftatbestand wurde damit vom Vergehen zum Verbrechen.
  • Wer sich kinderpornografische Inhalte verschafft oder sie besitzt, muss ebenfalls mit höheren Strafen rechnen: Der Strafrahmen wurde auf Freiheitsstrafen zwischen einem und fünf Jahren angehoben. Zuvor waren neben Freiheitsstrafen von maximal drei Jahren auch Geldstrafen möglich.

Die Verschärfung trat mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder am 01. Juli 2021 in Kraft. Für Taten, die bis zum 30. Juni 2021 begangen wurden, gilt damit noch die frühere Rechtslage mit dem milderen Strafrahmen.

Deshalb spielen in aktuell geführten Ermittlungsverfahren und Strafverfahren zu Tatbeständen des § 184b StGB zeitliche Aspekte oft eine besondere Rolle. Die zeitliche Einordnung kann sich direkt auf das Strafmaß auswirken. Lässt sich der Besitz kinderpornografischer Bilder auf die Zeit vor der Gesetzesänderung begrenzen, können Beschuldigte bei Verurteilung mit einer Geldstrafe davonkommen, auch ohne strafmildernde Umstände.

Besitz und Sich-verschaffen: entscheidende Punkte beim § 184b StGB

Wenn jemand es „unternimmt, einen kinderpornografischen Inhalt … abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen“ und sich damit nach § 184b Abs. 3 StGB n. F. strafbar macht, geht es um einen festen Zeitpunkt. Das Delikt wird typischerweise in dem Moment begangen, in dem die Bilder oder Filme heruntergeladen und auf dem eigenen Rechner oder einer externen Festplatte abgespeichert werden. Bezogen auf die Gesetzesänderung ist deshalb im Verfahren zu klären, ob das entsprechende Datum vor oder nach der Gesetzesverschärfung lag, soweit sich der Zeitpunkt überhaupt bestimmen oder eingrenzen lässt.

Anders ist es dagegen beim Besitz der Inhalte. Dieser ist genauso strafbar wie das Sich-Verschaffen. Allerdings stellt der Besitz im Gegensatz dazu ein Dauerdelikt dar. Dieses endet erst, wenn der Besitz endet, etwa durch Löschen der Bilder. Erstreckt sich das Dauerdelikt über den Zeitpunkt der Gesetzesverschärfung am 01. Juli 2021 hinaus, kann der neue, verschärfte Strafrahmen in Betracht kommen. Selbst, wenn der Download dieser Dateien vor diesem Tag erfolgte.

Allerdings muss man dafür das Verhältnis des Sich-Verschaffens, des Besitzwillens und des Besitzes selbst genauer betrachten. Außerdem ist die Verjährungsfrist von Bedeutung: Sowohl die Besitzverschaffung wie der Besitz von Kinderpornografie verjähren nach fünf Jahren. Der Besitz von Kinderpornografie ist gegenüber der Besitzverschaffung subsidiär und damit ein Auffangtatbestand.

Zeitpunkt und Verjährung

Das bedeutet: Ist die Besitzverschaffung selbst verjährt, während der Besitz noch andauert, wird grundsätzlich stattdessen der Besitz als Straftatbestand festgestellt (BGH, 08.03.2022 - 6 StR 49/22). In diesem Revisionsfall hatte das Landgericht Potsdam den Beschuldigten wegen mehrerer Fälle sowohl des sexuellen Missbrauchs als auch des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verurteilt. In einigen Fällen in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornografischer Schriften. Im März 2020 waren im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei dem Beschuldigten Videos der Missbrauchshandlungen sichergestellt worden. Die Gesamtfreiheitsstrafe betrug acht Jahre und sechs Monate.

Diese Aufnahmen waren jedoch viele Jahre alt. Gemäß der Beweisaufnahme konnte der Mann sie sich spätestens im September 2008 verschafft haben. Damit war die Besitzverschaffung längst verjährt. Die Strafverteidiger des Angeklagten legten Revision beim Bundesgerichtshof ein.

Der 6. Strafsenat änderte den Schuldspruch. Allerdings wurde die Verurteilung in Tateinheit mit Besitzverschaffung von kinderpornografischen Schriften nicht einfach aufgehoben. Sie wurde vielmehr in „Tateinheit mit Besitz“ umgewandelt, denn dieser Auffangtatbestand war ja noch erfüllt. Das Strafmaß änderte sich nicht.

Auch umgekehrt möglich: Besitzverschaffung, aber kein Besitz (mehr)

Das Subsidiaritätsverhältnis zwischen Besitzverschaffung und Besitz ermöglicht grundsätzlich auch den umgekehrten Fall. Das gilt dann, wenn klare Belege für den Zeitpunkt der Besitzverschaffung vorliegen, der Besitz an den kinderpornografischen Inhalten inzwischen aber nicht mehr besteht oder nachweisbar ist. Damit hat die Verurteilung wegen der Besitzverschaffung, soweit sie noch nicht verjährt ist, Vorrang vor dem Straftatbestand des Besitzes. Liegt die Besitzverschaffung vor dem 01. Juli 2021, ist der frühere, geringere Strafrahmen einschlägig.

Ein Beispiel für eine solche Konstellation sind Fälle, in denen auf beschlagnahmten Rechnern oder Festplatten von Beschuldigten zwar Vorschaubilder zu kinderpornografischen Bildern gefunden wurden, nicht aber die Bild- oder Videodateien selbst. Solche Fälle sind gar nicht so selten, denn viele Anwendungen zur Bild- und Videobetrachtung generieren die Thumbnails genannten Vorschaubilder automatisch mit dem Aufruf von Fotos oder Videoclips. Nicht selten bleiben diese Vorschaudateien beim Löschen der eigentlichen Bild- und Videodateien erhalten.

Keine Verurteilung wegen Besitz von kinderpornografischen Inhalten ohne Feststellung zum Besitzwillen

Der reine Besitz kinderpornografischer Inhalte ohne nachweislichen Besitzwillen reichte dem Bundesgerichtshof für eine Verurteilung nicht aus (BGH, 19.11.2011 - 1 StR 369/11). Damals hatte ein Mann erfolgreich Revision eingelegt, den das Landgericht Ravensburg neben dem sexuellen Missbrauch von Kindern und von Schutzbefohlenen auch wegen Verstoßes gegen § 184 b Abs. 1 StGB verurteilt hatte. In diesem dritten Punkt hob der BGH den Schuldspruch auf. Zwar waren bei einer Durchsuchung im Safe des Beschuldigten unter einem Stapel anderer Dokumente kinderpornografische Bilder gefunden worden. Der BGH vermisste jedoch Feststellungen des Landgerichts zum Besitzwillen, einer Voraussetzung für Besitz im strafrechtlichen Sinn. Das Landgericht hatte sich nicht dazu geäußert, ob dem Beschuldigten das Vorhandensein dieser Bilder überhaupt noch bewusst war.

Thumbnail-Vorschaubilder begründen keinen Besitz von kinderpornografischen Inhalten

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf, 26.05.2015 – III-2 RVs 36/15) hob ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf, das den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften zu einer Geldstrafe verurteilt hatte, in der Revision wieder auf und verwies die Sache zurück. Auf dem Computer und einigen externen Festplatten des Mannes waren fast eintausend Thumbnail-Bilder von kinderpornografischen Bilddateien gefunden worden. Solche Thumbnails legt das Betriebssystem bzw. die Betrachtungssoftware eines Computers oder anderen elektronischen Gerätes automatisch an. Sie können trotz Löschen der entsprechenden Bilddateien erhalten bleiben und werden in den Standardeinstellungen nicht angezeigt.

Weil es keine Feststellungen dazu gab, dass der Mann besondere Computerkenntnisse hatte, lehnte das Oberlandesgericht eine Verurteilung wegen des Besitzes von Kinderpornografie allein auf Grundlage der Thumbnail-Bilder ab. Die Thumbnails legen zwar nahe, dass es die dazugehörigen Bilddateien auf dem Rechner gegeben haben muss. Der Zeitpunkt, bis wann sie dort abgespeichert waren, blieb aber offen – und damit der Zeitpunkt, ab dem nach fünf Jahren die Verjährung eintrat. Das Oberlandesgericht gab den Richtern für die erneute Verhandlung den Hinweis mit auf den Weg, aus diesen Gründen auf die Erstellungsdaten der Ordner mit den Thumbnails und auf das Herstellungs- bzw. Kaufdatum des Rechners sowie der Festplatten zu achten. Selbst die Speicherorte legte das Oberlandesgericht der Tatsacheninstanz ans Herz: Ein Abspeichern in bestimmten, unterschiedlichen Ordnern spreche gegen ein unbewusstes Herunterladen.

Fazit: Besitzvoraussetzungen und Zeitfragen werden wichtig für die Strafverteidigung

Bei der Strafverteidigung gegen den Vorwurf des Besitzes oder des Sich-Verschaffens kinderpornografischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 3 StGB rücken gerade auch im Hinblick auf die Gesetzesverschärfung vom letzten Jahr zunehmend Fragen des Tatzeitpunkts und des möglichen Beginns der Verjährungsfrist in den Fokus. Im Zusammenhang damit muss außerdem genau geklärt werden, ob die Umstände des Einzelfalls den Vorwurf des Besitzes oder aber des Sich-Verschaffens tragen.

Unter bestimmten Voraussetzungen wird es das Ziel der Strafverteidigung sein, dem Vorwurf des Besitzes als Dauerdelikt die Grundlage zu entziehen. Das kann beispielsweise dadurch geschehen, dass – wie beim Vorliegen allein von Thumbnails – der fortgesetzte Besitzwille begründet in Zweifel gezogen wird. Wenn in solchen Fällen statt des Besitzes nur das Sich-Verschaffen, d. h. der Download der Inhalte als Vorwurf bestehen bleibt, kann dadurch der Zeitpunkt des Delikts vor den Zeitpunkt der Gesetzesänderung am 01. Juli 2021 wandern. In diesem Fall gilt für die Strafzumessung des Gerichts der frühere Strafrahmen, dann sind also trotz der Verschärfung auch Geldstrafen für das Sich-Verschaffen von Kinderpornografie möglich.

 

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